Astronomie |
Feldbeobachtungen und
Besonderheiten bei den Ribbeck-Meteoriten -
von Dr. Oliver Sachs
Kurzfassung des
Originalartikels in der Zeitschrift „Regiomontanus Bote“, Ausgabe 2/24
- von Dietmar Rößler |
Am 21. Januar 2024 um 1:32 Uhr
kollidierte
nordwestlich von Berlin ein Meteorit mit einem
Durchmesser von ca. 1 m mit der
Erdatmosphäre. Der
Himmelskörper wurde bereits 20. Januar 2024 vom Astronom Krisztián Sárneczkyvom Piszkéstető-Observatorium in Mátraszentimre, Ungarn im
Weltraum und kurze Zeit später von 178 weiteren Beobachtern
entdeckt. Auch die Frühwarnsysteme von NASA und ESA
gaben Alarm.
Der Meteorit erhielt den
endgültigen Namen „2024BX1"
Das ist erst der erste
deutsche Meteoritenfall, der bereits im Weltall entdeckt wurde
und dessen spätere Kollision mit der Erde vorhergesagt
wurde.
Der Aufschlag wurde von verschiedenen
Beobachtungskameras aufgezeichnet und von zahlreichen
Augenzeugen beobachtet. Der Meteorit zerfiel beim
Eintritt in die Atmosphäre in zahlreiche Einzelstücke.
Bereits am 22. Januar 2024 startete aufgrund schneller
Streufeldberechnungen die systematische Suche im
Gelände. Das erste 171,66 g schwere Stück wurde am 25.
Januar von professionellen polnischen Suchern gefunden.
In den ersten Tagen waren Tausende von Suchern aus
zahlreichen Ländern der Erde im Streufeld unterwegs. |
Der Meteoritenfund hat es
bis in die New York Times gebracht |
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Der Dalmatiner-Stein (Meteorit mit
atypischer Schmelzkruste, Sample F69, 1.94 g). |
Der Dalmatiner-Stein (mit
Dalmatiner). |
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Erste Untersuchungen ergaben, dass es sich um einen sog. Achondriten
der seltenen Stoffklasse „Aubrit“ handeln muss. Benannt sind diese
Meteoriten nach der
französischen Ortschaft Aubrés, wo 1836 erstmals ein Meteorit dieser
Stoffklasse gefunden wurde. Diese Meteoriten können stark irdischen
Gesteinen ähneln. Man vermutet, dass sie Trümmer ehemaliger
Protoplaneten oder noch heute existierender Planeten (Mars Merkur)
darstellen.
Mineralbestandteile sind überwiegend Enstatit, untergeordnet können
auch Eisensulfid (Troilit), Nickel-Eisen (Kamacit), Olivin und
weitere Mineralien enthalten sein. Das Gestein hat ein grobkörniges
Aussehen (Textur) und ist stark brekziiert. |
High-Velocity-Bullet (Sample No.
F159, 0.870 g) |
High-Velocity-Bullet (Sample No.
F159, 0.870 g, Flugrichtung), weiße Schmelzkruste. |
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Die Meteoritensuche um Ribbeck gestaltet sich schwierig,
allein schon durch die Ähnlichkeit mit irdischen
Gesteinen. Hinzu kommt, dass sich in der Region
eiszeitliche Ablagerungen gebildet haben, die
überwiegend aus dem kristallinen Grundgebirge Norwegens
stammen (Granite, Amphibolite, Quarzite, vor allem
Gneise), genau die Gesteine, die den Aubriten ähneln.
Kreidezeitliche Feuersteine, anthropogen entstandene
Schlacken sowie der nach dem Zweiten Weltkrieg
abgelagerte Brandschutt von Berlin erschwerten die Suche
weiter.
Im Gegensatz zu „normalen“ Meteoriten hat der
Ribbeck-Meteorit eine farblose bis weiße Schmelzkruste
mit weißen, grauen und dunkelgrau-schwärzlichen Punkten.
Die äußerst verschiedenartige Schmelzkruste verteilt
sich häufig nicht gleichmäßig auf der Oberfläche
einzelner Meteoriten. Beim Dunkelflug oder Aufschlag auf
den festgefrorenen Boden zerbrechen die Fragmente
teilweise. Dadurch kommt das eigentliche hellgraue
Gestein zum Vorschein.
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Spectacular fusion crust (Sample
F82, 1,426 g). |
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Spectacular fusion crust (Sample F82,
1,426 g), weiße & farblose Schmelzkruste. |
Die Schmelzkruste als Tarnmantel der Ribbeck-Meteoriten
Alle gefundenen Ribbeck Meteoriten zeigen eine
ausgeprägte Rissigkeit des Gesteins, vor allem der
Schmelzkruste. Das erleichtert wiederum dem geübten Auge
die Suche. Kurz nach dem Fall konnte ein typischer
Schwefelgeruch, ein Geruch nach Schwefelwasserstoff oder
abgebrannten Feuerwerkskörpern festgestellt werden. Der
Geruch entsteht durch Zersetzung des Minerals Oldhamit (CaS)
durch Regen und Feuchtigkeit. Später gefundene Stücke
(nach Wochen, Monaten) zeigen starke
Zerfallserscheinungen. Bei flugorientierten Stücken ist
häufig eine Schaumkruste zu sehen.
Verschiedene Ribbeck-Meteoriten, die teilweise aus
Privatsammlungen stammen wurden hinsichtlich ihrer
Schmelzkruste eingehend untersucht. Der zellige Schaum
ist zeitweilig glasklar und wirkt unter dem Mikroskop
bläschenartig wie ein Glasschwamm.
Fast schon ein Unikat – der „Dalmatiner-Stein“
Ein unbeschädigtes Exemplar zeigt als Oberflächenfärbung
eine weiße Matrix mit schwarzen Punkten. Das Aussehen
erinnert an die Fellzeichnung eines Dalmatiner-Hundes.
Das Fundstück wurde als Dalmatiner-Stein bekannt. |
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Klein, aber fein - die
flugorientierten Individuals
Fundstücke von etwa 10 Gramm und
darunter sind zunehmend flugorientiert. Dabei sind
wunderbar flugorientierte „Individuals“ mit
fantastischen Formen entstanden. Eines
davon ist ein
Hochgeschwindigkeitsprojektil. Solch eine Form entsteht,
wenn der Meteorit auf eine definierte Bahn durch die
Luft geflogen ist. Meist trudelt und rotiert der
Meteorit chaotisch auf seinem Flug, wodurch die nicht
flugorientierten Stücke entstehen . Durch Fragmentierung
und Flug vermischen sich die Schmelzen und nehmen je
nach Größe und ursprünglichem Mineralsbestans verschiedene Verfärbungen an.
Mikroskopische Studien einer
atemberaubenden Schmelzkruste
Detaillierte mikroskopische
Untersuchen eines 1,426-g-Stücks zeigten interessante
Schmelzkrusten-Phänomene wie Schmelzlippen, Schmelznasen
und Tropfen. Diese Fließstrukturen erinnern an abgelaufenes Kerzenwachs
oder an den Zuckerguss von Pralinen oder Backwaren. |
Spectacular fusion crust (Sample
F82, 1,426 g, weiße & farblose Schmelzkruste. |
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